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Zivilrecht: Auslegung eines Post-it

Zivilrecht: Auslegung eines Post-it

  • 22. Dezember 2014
  • RA Mag. Barbara Belyus

In einer unlängst ergangenen Entscheidung, hat sich der OGH mit einem Post-it auf einem Vermächtnis beschäftigt. Springender Punkt waren, neben dem Text, die Begleitumstände im konkreten Fall. Die Freundin erbte, obwohl der Verstorbene auf dem kleinen Klebezettel festhielt, vorher noch mit dem Sohn sprechen zu wollen.

Der einzige Sohn des Verstorbenen besaß bereits zwei von drei im Familienbesitz befindlichen Liegenschaften. Die Übertragung der dritten Liegenschaft lehnte er jedoch ab, da er nicht wollte, dass der Vater über kein eigenes Grundstücksvermögen mehr verfügte. Die Mutter war bereits verstorben und Vater und Sohn gingen davon aus, dass der Sohn ohnehin Alleinerbe werden würde.

Der Vater ging eine zuletzt intensiver werdende Beziehung mit einer Freundin ein. Das Gericht stellte fest, dass zwar keine Lebensgemeinschaft begründet wurde, aber beide in der Öffentlichkeit als Paar auftraten, ihre Freizeit miteinander verbrachten, die Freundin den Vater bei Krankheit pflegte und für ihn kochte. Aufgrund einer anstehenden Operation wurde das Paar von einem Freund angesprochen, ob der Vater für seine Freundin vorgesorgt habe.

In der Folge verfasste der Mann eine letztwillige Anordnung in Form eines Vermächtnisses und vermachte die dritte Liegenschaft der Freundin. Er klebte ein Post-it darauf, worin er einen befreundeten Notar ersuchte, die Anordnung vorerst vertraulich zu verwahren, da er vorher noch mit dem Sohn sprechen wollte. Zu diesem Gespräch kam es jedoch nicht mehr und der Vater verstarb nach der Operation.

Eigenhändig geschriebene und unterfertigte letztwillige Anordnung ersetzt automatisch frühere Anordnungen

Die Freundin klagte den Sohn als Erben und begehrte das Eigentumsrecht an der Liegenschaft. Der Sohn hielt ihr entgegen, dass das Vermächtnis nur unter der Bedingung gültig sein sollte, dass sein Vater mit ihm zuvor spreche. Nachdem das Gespräch nicht stattgefunden hatte, sei das Vermächtnis ungültig.

Das Erstgericht gab der Freundin Recht und sah das Post-it lediglich als Verwahrungsanordnung an den Notar. Das Berufungsgericht gab wiederum dem Sohn Recht und betrachtete Vermächtnis und Post-it als Willenskundgebung des Erblassers, die Freundin eben nur unter einer bestimmten Bedingung mit der Liegenschaft zu bedenken.

OGH: Was wollte der Mann?

Der OGH stellte die Entscheidung des Erstgerichtes wieder her und gab der Freundin Recht. Das Vermächtnis selbst enthalte keinen Hinweis auf eine Bedingung und mit dem Post-it ordnete der Erblasser nur eine vertrauliche Verwahrung an. Denn hätte der Vater die Wirksamkeit des Vermächtnisses davon abhängig machen wollen, dass er zuvor mit seinem Sohn spricht, hätte er es gar nicht nötig gehabt, dieses an den Notar zu senden (OGH 30.10.2014, 8 Ob 69/14a).

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Bedeutung einer Willenserklärung samt den daraus resultierenden Rechtsfolgen nicht immer jedem bewusst ist. Das gilt nicht nur im Erbrecht sondern ganz genauso im Vertragsrecht. Geschriebenes kann missverständlich formuliert sei und Begleitumstände können den Ausschlag geben. Was genau der Verstorbene mit der Liegenschaft wirklich wollte, werden seine Erben nie mehr erfahren können.

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